Wer hat in der vernetzten Welt das Sagen?
Der Blickwinkel der Kritik
Kettenreaktionen
Narzissmus
Sorglosigkeit
Abhängigkeit
Marktlogik
»Eine Lüge geht drei Mal um die Welt, ehe sich die Wahrheit die Schuhe anzieht.« Mark Twain
»Hoax steht im Englischen für schlechter Scherz. Im Internet hat sich der Begriff als Bezeichnung für Falschmeldungen, vergleich-bar mit Zeitungsenten, einbürgert.« Bundeskriminalamt Deutschland
»Wir werden, was wir sehen.« Marshall McLuhan
Informationsrückkoppelung
»Wir haben es im Online-Journalismus mit ständigen Rückkopplungsschleifen zu tun. Das ist ja das Wesen der kybernetischen Welt. Die Aufgabe von Qualitätsjournalismus besteht darin, die Rückkopplung zu unterbrechen.« Frank Schirrmacher
Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringen wird. Es liegt jedoch der Verdacht nahe, dass wir vor tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen stehen. Um nicht im Strudel der Zeit unterzugehen, bleibt uns keine andere Wahl, als die möglichen Konsequenzen unseres Handeln zu bedenken. Wir denken im Allgemeinen wahrscheinlich aber nicht genügend darüber nach, was wir tun.
»Was schief gehen kann, das geht auch irgendwann einmal schief.« Murphys Gesetz
»The primitive forms of artificial intelligence we already have, have proved very useful. But I think the development of full artificial intelligence could spell the end of the human race. It would take off on its own, and re-design itself at an ever increasing rate. Humans, who are limited by slow biological evolution, could’t compete, and would be superseded.« Stephen Hawking
»On Facebook you are never alone.« Zygmunt Bauman
Eines der größten Ängste in der Gegenwart besteht darin, dass wir uns zunehmend als überflüssig erfahren. Wir werden nicht mehr gebraucht und Leistungen, für die wir einmal geschätzt wurden, verrichten Schritt für Schritt Maschinen. Wir rebellieren daher nicht mehr gegen einen über-mächtigen Staat oder machtvolle Institutionen, sondern dagegen, ignoriert zu werden.
Webservices wie »Facebook« scheinen uns dabei zu helfen sichtbar zu bleiben. Hier können wir nicht nur mit »Freunden« in Kontakt bleiben, sondern das »Social Web« vermittelt auch den Eindruck, dass wir hier unsere Außenwirkung unter Kontrolle haben. Wir begegnen uns nicht mehr unmittelbar, sondern wir erleben unsere »Freunde« als Bildschirmereignisse. So versuchen wir der Einsamkeit und unserer Bedeutungslosigkeit zu entfliehen. Im Internet finden wir fast immer jemanden, der mit uns interagiert. Wir bleiben Einsame, die ständig in Kontakt mit anderen sind, immer von der Angst getrieben, von anderen nicht in genügendem Ausmaß gewürdigt zu werden. Das Internet befördert, in seinen gegenwärtigen Ausprägungen, eine Kultur des Voyeurismus und des Narzissmus.
»Patchwork-Identität – Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?« Richard David Precht
Identität entwickelt sich in einem immerwähren-den Dialog mit den Anderen. Dauerhafte Zugehörig-keiten sind selten geworden. Viele werden vor allem von einem Wunsch getrieben: Sie wollen anders sein – irgendwie. Über den Informationsaustausch im Internet können wir »näher an uns heran-kommen« oder aber auch uns »verlieren«.
Kontrollillusion
Etliche Internetseiten vermitteln die Illusion etwas kontrollieren oder beeinflussen zu können, über das wir objektiv betrachtet keine Macht haben.
Famous for being famous, or famous for nothing
Bislang mussten Menschen irgend eine Art von außergewöhnlicher Leistung erbringen, damit die Medien sie in ihre Berichterstattung aufgenommen haben. Diese Schwelle hat sich sukzessive verschoben.
Was macht den Charakter jener Beziehungen aus, die wir im Internet eingehen. Früher haben wir mit Nachbaren über Nachbaren gesprochen. Heute sprechen wir mit Fremden über andere Fremde. Diese Fremde, über die wir uns gerne unterhalten, sind sogenannte Berühmtheiten, die nicht selten ihre Popularität lediglich dem Umstand verdanken, von den Medien immer wieder vorgeführt zu werden. Die Grundlage ihres Prominenten-Status baut nicht auf besondere Talente, Fähigkeiten oder Leistungen auf. Sie liefern jedoch bereitwillig Material für Gespräche. Nachdem die Berühmt-heiten unserer Zeit nicht im Scheinwerferlicht stehen, weil sie ein neues Kapitel für die Menschheit aufgeschlagen haben, können sie nach Belieben kommen und gehen. Der Gefahr des Vergessens ausgesetzt, sind sie nicht selten dazu bereit, sich den Spielregeln der Medien zu unterwerfen.
Illustration: Daniel Dominik Kaiser-Küblböck ist ein deutscher Popsänger, der durch die RTL-Casting-show »Deutschland sucht den Superstar« bekannt wurde und in weiterer Folge in TV-Sendungen wie »Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!« und »Let’s Dance« auftrat.
Wir können mit den neuen Berühmtheiten nach belieben verfahren. Wir fühlen uns ihnen gegen-über zu nichts verpflichtet. Sie sind auf uns als Fans mehr angewiesen, als wir auf sie im Konkreten, denn sie scheinen uns beliebig ersetzbar. Wir können uns auch heute für Berühmtheiten begeistern, die zueinander gegensätzliche und widersprüchliche Positionen beziehen. Stars ersetzen Helden und zeichnen sich durch Unterhaltungsqualitäten aus, auf die wir uns im Austausch mit anderen Menschen beziehen können. Sie leben ein Stellvertreterleben und ersparen uns dadurch eigene unangenehme Erfahrungen. Die Fehltritte der Berühmtheiten machen unser eigenes Scheitern erträglicher.
Im Internet »tauchen« wir meist nicht tief in einzelne Gedanken ein, sondern wir surfen, ohne Pausen um nachzudenken, von einer Information und Attraktion zur nächsten. Das Internet eröffnet unendliche Möglichkeiten, daher erleben wir uns in Hast und Eile gedrängt um möglichst viel im Vorbeiflug zu erhaschen. Der tägliche Informations-zuwachs ist im Internet um ein Vielfaches größer, als die Verarbeitungsmöglichkeiten eines menschlichen Gehirns.
»Die Zukunft ist schon da – sie ist nur nicht gleichmäßig verteilt.« William Gibson, Science-Fiction-Autor
Wir leben offenbar heute in einer Zweiklassen-gesellschaft, in der eine kleine Personengruppe in den gesamten gesellschaftlichen Reichtum für sich beansprucht und keine Probleme damit hat, dass eine wachsende Zahl von Menschen leer ausgeht.
Solange sich das Handeln der Menschen vorwiegend unmittelbar auf die Kleingruppe auswirkte, mit der sie zusammenzuleben hatten, musste jeder, der versucht hat die Gemeinschaft schamlos auszu-nützen, zumindest mit einer schwerwiegenden Rufschädigung, wenn nicht mit drastischen Strafen rechnen. In einer anonymen Gesellschaft kümmert es die meisten Menschen wenig, welche Folgen das Handeln nach sich zieht. Sie werden es oft nicht einmal erfahren.
»Zunächst einmal wollen wir annehmen, dass es den Computerwissenschaftlern gelingt, intelligente Maschinen zu entwickeln, die alles besser können als der Mensch. In diesem Fall wird alle Arbeit wahrscheinlich von riesigen, hochorganisierten Maschinensystemen erledigt, so dass man auf menschliche Arbeit verzichten kann. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man könnte den Maschinen erlauben, ihre Entscheidungen selbst und ohne menschliche Kontrolle zu treffen, oder der Mensch könnte die Kontrolle über die Maschinen behalten. Falls man den Maschinen erlaubt, ihre Entscheidungen selbst zu treffen, lassen sich die Ereignisse nicht abschätzen, denn wir können unmöglich voraussehen, wie solche Maschinen sich verhalten werden …« Ray Kurzweil
Aus dem Umstand einer permanenten Vernetzung ergeben sich Möglichkeiten einer umfassenden Kommerzialisierung immer neuer Lebensbereiche. Immer mehr Tätigkeiten, die Menschen lange Zeit aus freien Stücken und bereitwillig für andere übernommen hatten, lassen sich nun in ein Geschäftsmodell transformieren. Ohne den Anreiz einer finanziellen Belohnung wird gleichsam niemandem mehr ohne weiteres der Vortritt gewährt.
Umgekehrt müssen wir zunehmend mit finan-ziellen Restriktionen rechnen, wenn wir uns nicht wunschgemäß verhalten. So ist ein »gesundes Leben« schon lange keine Privatsache mehr.
»Ob ihre Hilfe wirklich gratis ist, fragen wir viel zu selten.« Christoph Keese
„Probleme können auf Erden nur durch das Erzeugen neuer Probleme gelöst werden. Wir müssen die Fortschrittseuphorie der Moderne – Lösungen für alle
Weltprobleme finden zu wollen – aufgeben. Um die Folgen unseres eigenen Handelns wieder verant-wortbar werden zu lassen, müssen wir erkennen, dass es nicht um Lösungen geht, sondern darum, die Realitäten des gesellschaft-lichen Zusammenlebens zu organisieren, beziehungsweise aushaltbar werden zu lassen.“ Bazon Brock
»Some things require long term thinking. Movement isn’t activity.« Chris Dancy
Webseiten werden im Durchschnitt nach 100 Tagen wieder gelöscht oder geändert.
»Data, data, and more data, everywhere you look data. Input/output, input/output.«
Mat Honan
»Daten gehören dem Einzelnen, sie sind nicht Betriebsstoff für Leute, die sie kapern und damit Geschäfte machen. Daten sind die DNA jedes sozialen Lebens: Mit ihrer Hilfe können Menschen, im Guten, wie im Schlechten, künftig ständig neu geboren, zusammen-gesetzt, mit charakterlichen Eigenschaften ausgestattet werden. « Frank Schirrmacher
Der Computer erscheint uns als eine Art Gedächtnismaschine, die uns mit all jenen Informationen versorgt, die wir selbst nicht aus unserm Gedächtnis abrufen können. Wir geraten dadurch in eine Abhängigkeit, deren wir uns nur selten bewusst werden. Wir leben nicht in einer Kultur des Lernens, sondern des Vergessens. Auch unsere Fähigkeit zur Konzentration nimmt angeblich ständig ab.
Selbst wenn jede gesellschaftliche Gruppe heute ihren eigenen Interessen, Theorien und Tätigkeiten nachgeht, stellen Marken wie Google oder Facebook Symbolsysteme dar, die für alle gleichermaßen ein fassbares Bild der geteilten Welt liefern.
»Ich glaube nicht mehr an Schumpeters schöpfer-ische Zerstörung. Sie ist im Falle Googles außer Kraft gesetzt. Ich kann mir keine Innovation vorstellen, die gegen die Macht dieses Bestandes an Daten ankommen könnte. Google weiß, was die Leute, die draußen vorbeigehen, gerne essen, wann sie zuletzt gegessen haben, wie viel Geld sie ausgeben und ob sie gern auf der Terrasse oder am Fenster sitzen. Google kennt die Bedürfnisse, und es kann die Kundenströme lenken.« Philipp Klöckner
»Ich glaube nicht, dass die Menschen von Google erwarten, ihre Fragen zu beantworten. Sie erwarten von Google, dass es ihnen sagt, was sie als Nächstes tun sollen. Die Technologie ist so gut, dass es sehr schwierig für die Leute wird, irgendetwas anzu-sehen oder zu konsumieren, dass nicht passgenau auf sie zugeschneidert ist.« Eric Schmidt
»Devices are cheap. Buying ME (my data) back is expensive.« Chris Dancy
Illustration: Der Arzt und Begründer der amerikanischen Psychiatrie Dr. Benjamin Rush hat um 1810 einen „Tranquilizing Chair” entwickelt. Diese mechanische Vorrichtung sollte bei der Behandlung von Geisteskrankheiten helfen. Dahinter verbarg sich der damalige Glaube, dass „Wahnsinn” die Folge einer Verschlusskrankheit der Arterien sei, die zu einer Entzündung des Gehirns führt. Der „Beruhigungsstuhl” soll die Bewegungsfähigkeit der Patienten einschränken um so die Blutzirkulation zum Gehirn zu intensivieren.
Um frei zu sein, müssen wir in Erfahrung bringen, was wir wirklich wollen. Damit sich eigene Gedanken, die sich nicht sofort vor einer kritischen Öffentlichkeit zu bewähren haben, entwickeln können, brauchen wir einen privaten Raum. Nur wenn es uns gelingt, eine Zeit für uns alleine zu haben, können sich halbfertige Gedanken und Gefühle weiter entwickeln und reifen.
Viele träumen heute jedoch nicht mehr von einem privaten Raum, in dem sie unbeobachtet und unkontrolliert agieren können, sondern sie hoffen darauf, selbst in ihren privatesten Momenten, von möglichst vielen Menschen wahrgenommen zu werden.
»Unsere Arbeit wird zum allzeit und weltweit verfügbaren Produkt. Künftig steuern Plattformen, was wir wann und wie für wen tun.« Christoph Keese
»Das Netz hat einen gefährlichen Nebeneffekt: es führt zu Monopolen. Zu Firmen, die Märkte weltweit beherrschen. Zwar leben sie nicht ewig, doch ihnen folgen immer wieder neue Monopole. Mit unabsehbaren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Es entsteht ein Staat außerhalb des Staats, eine supranationale Institution, die sich der Kontrolle legitimer Volksvertretungen entzieht und das tut, was sie selbst für richtig hält. Freiheit fördert den Netzwerkeffekt, der Netz-werkeffekt erzeugt Netzmonopole, und Netzmonopole mindern die Freiheit – dieser Wirkungskreis-lauf dreht sich in rasender Geschwindigkeit. Grenzenlose Freiheit führt im Netz zum Gegenteil.« Christoph Keese
Für eine bestimmte Zeit bestand der Trost und die Entschädigung dafür, dass Menschen bereit waren ihre Lebenszeit zu opfern, um die Gewinne eines Unternehmens zu optimieren, in einer finanziellen Sicherung ihres Lebens. Sie wurden gebraucht und hatten deshalb eine Arbeit, auf die sie sich verlassen konnten. Damit die Gewinne weiterhin gesichert werden können, wurden nun jedoch die Arbeitsver-hältnisse immer unsicherer. Dennoch hat sich die Auffassung gehalten, dass der Besitz einer geregelten Arbeit einen »normalen« Menschen ausmacht und er durch Arbeitslosigkeit nicht nur sein Einkommen, sondern auch sein Ansehen in der Gesellschaft verliert.
»Was man früher aus Freude an der Sache tat, ist heute fest in die Logik des Marktes eingebunden.« Evgeny Morozov
Das Internet hat dazu beigetragen die Chancen-gleichheit der Menschen zu verringern.
»Auto, Haus, menschlicher Körper und, nicht zu vergessen, Cash, anfassbares Geld. Man kann auch sagen: All das wird Medium. Und die Kontrolle über all das liegt in den Händen ganz weniger Konzerne im Silicon Valley. Diese Revolution wird mit jeder Art geistiger Arbeit das anstellen, was die erste industrielle Revolution mit körperlicher Arbeit tat.« Frank Schirrmacher
Verlangen und die Aussicht auf Belohnung motivieren zum Handeln. Dafür sorgt das neuronale Belohnungssystem im Gehirn. Belohnungssysteme spielen im Internet eine wachsende Rolle. Wann immer Anreize ins Spiel kommen, sind Menschen offensichtlich bereit, ihr Handeln danach auszurichten, egal ob der Lohn dabei in Geld, Anerkennung oder Aufmerksamkeit besteht. Welche Absichten hinter den Verlockungen stehen, bleibt dabei oft unbeachtet.
»Greatness and comfort rarely coexist.« Facebook's Little Red Book, 2012
»Enteignung geistiger Arbeit und Inhalte als Grundlage einiger weniger Konzern-Imperien. Die Medien liefern Inhalte, die User liefern ihre Daten und werden dadurch selbst zum Produkt, und das Geschäft machen einige wenige globale Riesenkonzerne.« Frank Schirrmacher