Vom Märchenerzähler zum Weltkonzern
Der Blickwinkel der Kritik
Disneyfizierung
Der Tyrann
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»Die wichtigsten politischen Schlachten der Menschheits-geschichte wurden auf dem Gebiet der Fantasie geschlagen, und welche Geschichten wir uns zu erzählen erlauben, hängt davon ab, was wir uns vorstellen können.« Laurie Penny, Unsagbare Dinge
»Er steht für eine neue Definition von Stadt und Gesellschaft, bei der die Wiederbelebung alter Wertesysteme eine zentrale Rolle spielt. Das Konzept des Themenparks soll nicht mehr allein dem traumhaften, kurzzeitigen, Erholung verheißenden Ausstieg aus der wirklichen Welt dienen, es verspricht jetzt auch wirkliche Weltver-besserung. In fast kultischer Weise werden die Leitgedanken des Firmengründers Walt Disney als neues Gesellschafts-konzept wiederentdeckt, die Idealvorstellung, dass jeder seines Schicksals eigener Schmied ist, getrieben von Träumen, die durch seine Willenskraft realisiert werden. Disney-fizierung wird zum Symbol der Verwirklichung des „American Dream“.
Kritisiert wird der Prozess der Disneyfizierung städtischer Räume wie des Times Square aus vielen Gründen. Zum einen geht damit eine starke Kontrolle des öffentlichen Raumes einher, aus dem alles Unerwünschte (etwa Obdachlosigkeit, Prostitution, Drogenkonsum) verdrängt wird – eine Parallele zu diktatorischen Gesellschaften. Zum anderen wird eine nicht reale Scheinwelt erzeugt, in der die sozialen Probleme aber auch die soziale Pluralität (in Bezug auf Religionen, Ethnizität und Lebensentwürfe) der Stadt nicht stattfinden und damit vergessen und negiert werden. Es erfolgt eine Reduktion des öffentlichen und gesellschaftlichen Raumes auf die glückliche christlich-weiße Kleinfamilie.«
Wikipedia
»Die Charaktere verkörpern amerikanische Ideale, die auf sämtliche Länder übertragen werden können und somit internationale Vorbildfunktion erlangen. Was für Disney gut ist, ist gut für die Welt und was in einem Disney-Märchen gut ist, ist gut für den Rest der Welt. Es gibt einen Fokus auf harte Arbeit, Fleiß, Sauberkeit, Kontrolle aber auch auf Liebe, Optimismus und Glück. Am Ende triumphiert Gut über Böse.« Janet Waskos
»Zu Geschichten fühlen wir uns hingezogen, von abstrakten Tatsachen abgestoßen. Das ist ein Fluch, denn relevante Aspekte werden zu gunsten irrelevanter abgewertet.« Rolf Dobelli
»Die Stoffe der Vorlagen zu den meisten seiner abendfüllenden Filme entnahm Walt der Weltliteratur – und „disneyfizierte” sie seinem Harmoniebedürfnis entsprechend um. Wie stark sich dabei der Stoff veränderte und wie enorm Walts Verlangen nach einer idealen Welt frei von Obszönitäten, Schund und Schmutz war, sieht man in vielen seiner Werke. Diese tief verwurzelte Sehnsucht nach der Wiederherstellung der Idylle wurde in beinahe allen Disney-Trickfilmen zum festen Bestandteil.« Andrej Schenk
»Walt Disney, der 1938 als einer von nur wenigen Hollywood-Prominenten Leni Riefenstahl empfangen und seine Bewunderung für Hitler seinerzeit nicht verhehlt hatte, war nach dem amerikanischen Kriegseintritt und dem verheerenden Streik in seinem Studio vom Isolationismus zum Interventionismus umgeschwenkt.« Andreas Platthaus
Er sah sich als einen freundlichen Vorstand eines familiären Unternehmens. Er entsprach jedoch mehr einem Diktator. Dominanz und Kontrolle. Niemand hat ihm widersprochen, denn das hätte Kündigung bedeutet. In seiner Einstellung zu seinen Mitarbeitern unterschied sich Walt aber kaum von den anderen Studiobossen: Für ihn waren sie Angestellte, die ihm zu gehorchen hatten. Ihr persönlicher Stil und ihr Talent verschwanden hinter dem "Walt Disney Presents"-Logo, während Walt in der Öffentlichkeit sein Studio gerne als große, glückliche Familie darstellte.
Disney sei auch nicht der gute "Onkel Walt" gewesen, sondern ein knauseriger und herrschsüchtiger Chef, dessen "Hang zur Brutalität" von seinen Angestellten gefürchtet wurde. Der intellektuelle Filmkritiker Schickel meint, Disney sei kaum belesen gewesen, habe Kunst gern mit Obszönität gleichgesetzt und das Wort "Kultur" für "unamerikanisch" gehalten. Er war intolerant, mochte keine Juden und keine Schwarzen.
Aus einer übersichtlichen familiären Unter-nehmung wurde ein anonymer Konzern. Dadurch verringerte sich der Zusammenhalt der Mitarbeiter. An die Stelle persönlicher Beziehungen traten hierarchische Strukturen. Die Mitarbeiter des Studios wendeten sich gegen Walt. Sie wollten eine Gewerkschaft gründen. Walt Disney hat es ihnen untersagt sich zu organisieren. Unter der Parole –„Are we mice or men?“ begann 1941 ein Streik dauerte zwei Monate dauerte. Um den Druck der Mitarbeiter zu schwächen wollte er ihnen zeigen, dass er nicht auf ihre Hilfe angewiesen war und begann Realfilme zu drehen. „Und wenn ich meine Zeichner entlasse wird niemand sie einstellen.” Aus Angst um ihren Job haben sich etliche den Streiks nicht angeschlossen und gingen weiter zur Arbeit. In dieser Welt sollte es keinen Platz für „kommunistische” Ideen geben. Disney holte sich Hilfe von der Mafia. Die gewalttätige Bedrohung einzelner Mitarbeiter sollte genügend Angst unter der Belegschaft erzeugen um den Streik zu brechen. Am Ende musst Disney sich jedoch den Forderungen der Belegschaft beugen.
Logo des Disney Films »Der Fuehrer’s Face« aus dem Jahr 1943
Disney war ein Special Agent in Charge für das FBI, und somit ein treuer Informant über Hollywood. Seine eifrige Zusammenarbeit mit dem FBI gab ihm ein Gefühl der Wichtigkeit im Kampf gegen all die subversiven "Kommunistenjuden", die die USA – und noch viel wichtiger: sein Studio – bedrohten.
»We believe in, and like, the American way of life: the liberty and freedom which generations before us have fought to create and preserve; the freedom to speak, to think, to live, to worship, to work, and to govern ourselves as individuals, as free men; the right to succeed or fail as free men, according to the measure of our ability and our strength. Believing in these things, we find ourselves in sharp revolt against a rising tide of communism, fascism, and kindred beliefs, that seek by subversive means to undermine and change this way of life; groups that have forfeited their right to exist in this country of ours, because they seek to achieve their change by means other than the vested procedure of the ballot and to deny the right of the majority opinion of the people to rule.« Aus: „Statement of Principles“, Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals, 1944
In einer Zeit, als nicht nur Juden, sondern auch andere Randgruppen wie Schwarze, Mexikaner, Frauen etc. immer mehr auf Rechte- und Chancen-gleichheit zu pochen begannen, fiel vielen konser-vativen, weißen, männlichen Amerikanern nichts anderes ein, als ihnen mit einer diskriminierenden Haltung zu begegnen und zu hoffen, dass der Spuk vorbeigehen würde. Jahrzehntelang fielen Disney-Filme durch die Abwesenheit dunkelhäutiger Cartoonfiguren auf, später durch die Verwendung rassischer Stereotype.
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