Bildermacht

Der Vergleich

Ritual

Ereignis

Sprache

Zeichen

Raum

Kleidung

Sound

Objekt

Illustration: Paul Klee (1903): Zwei Männer, einander in höherer Stellung vermutend, begegnen sich.

 

»Wahrhaft zu sein heißt nur, nach einer festen Konvention zu lügen, herdenweise in einem für alle verbindlichen Stil zu lügen. Verstellung ist das Verbergen von Absichten, von Charaktereigen-schaften, von Einstellungen. Schon das freundliche Grüßen eines Kollegen, den wir nicht schätzen, der im Büro immer so selbstgefällig grinst, der grundlos glaubt, uns überlegen zu sein, ist streng genommen Verstellung. Es gibt Tage, da würden wir ihn gerne ohrfeigen. Doch wir tun es nicht.« Adam Soboczynski

 

Wenn unsere Logik angesichts einer bestimmten Fragestellung versagt, dann werden diese Lücken gerne mit Mythen gefüllt. Damit Mythen jedoch ihrer Wirkung behalten müssen sie unentwegt aktualisiert werden. Umso mehr sie in einem Widerspruch zur konkreten Erfahrungswelt geraten, desto aufwändiger und umfassender müssen sie begründet, gestützt und abgesichert werden. »Diese propagandistische Gebäudesicherung ist Sisyphusarbeit, sie kann nicht das Werk von Einzelpersonen sein, sondern nur von Kollektiven. Von Staaten etwa, Parteien, Unternehmen, Thinktanks, Lobbygruppen, NGOs, Vereinen, Glaubensgemeinschaften. Propaganda setzt Organisation voraus.« Gero von Randow

 

Generell lassen sich zwei Formen von Ritualen unterscheiden: alltäglich und routinemäßige sowie außergewöhnliche Rituale. Zu den alltäglichen Ritualen gehören alle Handlungen, die wir ohne besondere Entscheidungsfindung erledigen – Körperpflege, Mahlzeiten, gewisse Arbeitsroutinen, etc. Darüber hinaus kennen wir Handlungsabläufe die mit weitestgehend feststehenden Erwartungen verbunden sind – Festtage (Weihnachten, Ostern, etc.), Kulturveranstaltungen, etc.

Im Ritual stehen bestimmte räumliche und zeitliche Ordnungen mit einem Set an Gegenständen und vorhersehbaren Handlungen in einem engen Zusammenhang. Wir haben feste Vorstellungen davon, wie wir uns an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten im Zusammenhang mit anderen Menschen zu verhalten haben. Viele dieser Handlungsmuster bestehen auch unabhängig von subjektiven Vorlieben, politischen und religiösen Weltanschauungen. In öffentlichen Verkehrs-mitteln, beim Arzt, auf einem Amt, in einem Geschäft verhalten sich die meisten Menschen in ähnlicher Form.

Die zeremonielle Entrée in eine Stadt war ein

mittelalterlicher Brauch, der in der Renaissance

nach römischer Manier mit Streitwagen,

Trophäen, Triumphbögen usw. angereichert wurde.

Illustration: »Do you know the secret …?«, Anzeige für »Kaiser Aluminum«, 1948

»Ein Ereignis in seiner reinsten und minimalsten Form ist etwas Schockierendes, aus den Fugen Geratenes, etwas, das plötzlich zu geschehen scheint und den herkömmlichen Lauf der Dinge unterbricht; etwas, das anscheinend von nirgendwo kommt, ohne erkennbare Gründe, eine Erscheinung ohne feste Gestalt als Basis; ein Effekt, der seine Gründe zu übersteigen scheint." Slavoj Žižek

 

Es geschehen Dinge, die uns unerwartet treffen und uns aus den gewohnten Bahnen werfen. Manchmal geschehen diese Dinge so, dass wir sie als zufällig wahrnehmen – eine fesselnde persönliche Begegnung, ein Unfall, eine Naturkatastrophe, etc. Solche Ereignisse können aber auch das Ergebnis einer lang angelegten Planung sein, wie das Attentat auf die Zwillingstürme in New York, oder die Ermordung von J. F. Kennedy oder aber auch ein kulturelles, politisches oder religiöses Event. In diese Kategorie gehören selbstverständlich auch alle Ereignisse, die wir als Wunder bezeichnen würden, etwas, das unser bisheriges Vorstellungs-vermögen und unseren Erwartungshorizont übersteigt.

 

Nach einem solchen Ereignis können wir nicht gewohnt weitermachen. Es zwingt uns unsere Routinen und unser Weltbild zu überdenken. Das überraschend auftretende Neue unterläuft eine als tragfähig eingestufte Überzeugung oder Sichtweise.

 

»Bahnbrechende« Ereignisse können auch einen subtilen Charakter aufweisen. In gewisser Weise braucht es oft bereits eine gewisse Erwartungs-haltung um »mitgerissen« zu werden. Ursache und Wirkung stehen dann in einer zirkulären Beziehung zueinander. Weil ich auf die Erscheinung eines Propheten hoffe, zeige ich mich bei seinem Eintreffen überwältigt.

 

Im christlichen Glauben zählt, neben allen Wundern, vor allem der Tod und die Auferstehung Christi zu den zentralen Ereignissen.

 

Steve Jobs hat es immer wieder verstanden, die Neueinführung eines Produkts von Apple als epochale Zeitwende zu inszenieren.

 

Was wir uns jedoch nach jedem Ereignis fragen können: Hat sich die Welt oder nur meine Weltsicht verändert? Betrifft dieser Wandel nur mich oder erleben sich viele Menschen als von einem Umbruch betroffen?

 

Oder aus einer anderen Perspektive betrachtet: Inwieweit ist das, was ich als unausweichliche Realität wahrnehme, nichts anderes, als eine scheinbare Materialisierung meiner eigenen Phantasien? Die Realität kennt keine Bedeutungen. Diese werden immer erst von uns auf sie projiziert.

Illustration: Mondlandung 1969

Vor allem bei der Verwendung des lateinischen Alphabets lassen sich drei Bedeutungsebenen unterscheiden:

1. Sprache und Schreibweise

2. Schriftwahl

3. Schriftanordnung und Komposition

»Wörter sind erfolgreiche Handlungen in dem Maße, in dem gesellschaftliche Macht an ihr Aussprechen delegiert ist.« Diederichsen

 

Es spielt nicht nur eine Rolle was und wie wir etwas sagen, sondern immer auch was unausgesprochen bleibt, was wir gerade dadurch verbergen, indem wir etwas zum Ausdruck bringen. Bereits zwischen dem was konkret gesagt wird und dem, was dadurch implizit gemeint ist, öffnen sich mitunter weite Interpretationsspielräume.

 

»What you don’t get is part of the identity of what you do get.« Slavoj Žižek

 

Von jenen Dokumenten, die von den Römern verfasst wurden, sind angeblich lediglich 1% bis heute erhalten geblieben.

»PRECIRE ist eine sprachpsychologische Anwendung, die - weltweit einzigartig - gesprochene und/oder geschriebene Sprache auf psychologische Merkmale hin untersucht. Die Anwendung konzentriert sich nicht auf Inhalte der menschlichen Sprache, sondern auf das Sprach-konstrukt und in der Sprache und Stimme zum Ausdruck kommende unbewusste Anteile des Sprechenden. Dabei werden Sprachproben in ihre kleinsten Informationsbausteine zerlegt und mit einem System von Messpunkten auf linguistische und prosodische (akustische) Auffälligkeiten hin analysiert. Diese Auffälligkeiten werden dann - mosaikartig - zu validen Aussagen etwa zur Verfassung, zur Persönlichkeit oder zu Leistungs-merkmalen des Sprechenden zusammengefasst.« www.psyware.de

In Etterlins Tell-Legende lässt der habsburgische Landvogt Gessler zu Altdorf einen Hut auf eine Stange stecken und befiehlt den einheimischen Untertanen, diesen jedes Mal zu grüßen, wenn sie an ihm vorüber gehen. Wilhelm Tell, ein weithin bekannter Armbrustschütze, verweigert den Gruß, und der Vogt befiehlt ihm daraufhin, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter zu schießen.

Das Ziel der meisten Zeichensetzungen besteht darin, einen möglichst stabilen interpersonalen Bedeutungskosmos zu errichten. »Eine dieser Techniken besteht darin, eine Vielzahl von Zeichen zusammenzufassen und einem Bedeutungskomplex zuzuordnen, der für die gesamte Zeichengruppe steht. Erst durch Wiederholung wird das Verhältnis von Zeichen und Bedeutungen eingeübt, als würde man durch ständiges Repetieren Vokabeln lernen.« Gerhard Schulze

 

Die Bedeutung eines Zeichens lässt sich nicht notwendigerweise an dessen formaler Gestalt ablesen, vielmehr ist es notwendig die Reaktion anderer Menschen auf ein bestimmtes Zeichen zu beobachten: Welche Aufmerksamkeit wir dem Zeichen geschenkt? Wird es mit Respekt behandelt? Wo und in welcher Häufigkeit ist es anzutreffen? Aus welchen Materialien wurde es gefertigt? Mit welcher Sorgfalt wird es in Stand gehalten?

X

Illustration: Der Reichsapfel,  Teil der Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Standort: Weltliche Schatzkammer, Wien

»Stiltypen sind freiwillige Selbstbeschränkungen angesichts unendlich vieler Möglichkeiten. Ihr Zweck ist die Erleichterung der Orientierung. Sie fassen eine zwar unscharfe, aber keineswegs unbestimmte Menge von Zeichen zu einem alltagsästhetischen Syndrom zusammen, das in bestimmten sozialen Gruppen als normal gilt. Während wir sehr komplexe Konfigurationen durch Gestaltwahrnehmung erfassen können, sind wir auf der anderen Seite auf möglichst einfache Deutungsschemata angewiesen.« Gerhard Schulze

»Die erfundene Ordnung ist fest mit der materiellen Welt verwoben.« Yuval Noah Harari

»Auch mit einem auf histori-sierende Formen verzichtenden Bauen kann das erreicht werden, was die Postmoderne kennzeichnet – eine Architektur der „narrativen Inhalte”. Zur bloßen Nutzenerfüllung kommen „grenzüberschreitende” Inhalte hinzu, die die Architektur aus ihrer primären Aufgabe funktionaler Dienstleistung herausheben und sie als Medium zur zweckübersteigenden Darstellung „erfundener Welten”, also Mittel des Fiktiven nutzen.« Heinrich Klotz, 1980

Illustration: Temporäre Architektur, Burning Man Festival im US-Bundesstaat Nevada im Black Rock Desert, 2007

Illustration: Conceptual seed of future buildings, by Brittany Bell, 2013

»Die nackte Wahrheit: Die zwei Körper des Königs. Das Königtum ist nichts als Kleidung und Absätze, daneben steht der gebrechliche Menschenkörper, der nichts ist als ihr erbärmlicher Träger. Ein elender Körper, verborgen und kaschiert unter dem gloriosen Kleid.« Eva Horn

»Kleider machen Leute: Das Gewand gab Auskunft über Herkunft, Rang, Beruf und Gesinnung.« Jan Keupp

 

Kleidungsstücke besitzen heute einen Zeichen-charakter über den sich meist Zeichengeber und Zeichenempfänger einig sind. Soziale Beziehungen werden durch kollektive Bedeutungen dieser Zeichen mitbestimmt. Die Orientierung erfolgt dabei an einer umfassenden Ordnung von Typisierungen. Das Augenmerk bei der Dechiffrierung dieser Zeichen liegt auf der Nähe oder Distanz zu den gelernten Schematas. So sehr sich auch die Vorlieben und Wertungen der Menschen voneinander unterscheiden, haben sich dennoch mehr oder weniger verbindliche »Kleiderordnungen« etabliert.

Illustration: Denis Diderot, Encyclopédie (1747 bis 1773), Typology of sandals.

 

Über die Jahrtausendwende hinaus war die Kleidererzeugung ein sehr aufwändiger Prozess. Für eine einzige weibliche Kleidergarnitur von feiner Wollqualität waren um die 800 Arbeits-stunden notwendig. Kleidung war für die Mehrheit der Bevölkerung nichts, was man täglich hätte wechseln können. Einzelne Kleidungsstücke konnten daher regelrecht zu unverwechselbaren Erkennungsmerkmalen werden: »Der eine trägt einen grauen, geflickten Mantel, der ist am Hals mit blauem Stoff gefüttert und er hat ein schwarzes Untergewand aus Barchent und eine graue Kapuze auf. Der andere trägt einen grauen Rock mit gekrempelten Ärmeln un eine schwarze Mütze und hat schwarzes Haar.« Steckbrief aus der Stadt Leipzig, 1426

»Hier hat die Mode den dialektischen Umschlag-platz zwischen Weib und Ware – zwischen Lust und Leiche eröffnet. Denn nie war die Mode anders als die Parodie der bunten Leiche, Provokation des Todes durch das Weib und zwischen greller memorierter Lache bitter geflüsterte Zwiesprach mit der Verwesung. Das ist Mode. Darum wechselt sie so geschwinde, kritzelt den Tod und ist schon wieder ein anderer, wenn er nach ihr sich umsieht, um sie zu schlagen.« Walter Benjamin

Illustration: Klassische Frisuren der Griechen, 1500 v. Chr - 150 n. Chr. | Zum Krausen und Wellen der Haare diente den Griechen das Calamistrum, ein Metallrohr, in das ein erhitzter Metallstab gesteckt werden konnte.

»Musik ist eine Brücke. Sie drückt den Wunsch des Menschen nach Gesellschaft aus. Menschen leben in völlig unterschiedlichen, oft weit voneinander entfernten Gegenden, Ländern, Kontinenten. Die überwältigende Zahl von ihnen wird sich nie kennenlernen, nie miteinander sprechen können, wenig voneinander wissen. Aber genau diese Menschen können alle die gleiche Musik hören und lieben. Jeder Mensch hat Harmonie in sich, er will sie, und er braucht sie.« Mikis Theodorakis

Objekte signalisieren eine Funktion. Sie vermitteln uns eine Vorstellung darüber, was wir mit ihnen anfangen können, in welchen Zusammenhängen sie für uns von Bedeutung sein könnten. Diese Erzählung ist in den seltensten Fällen neutral, sondern lenkt unsere Vorstellung in eine bestimmte Richtung. Generelle, über den konkreten Nutzungszusammenhang hinausreichende Vorstellungen, kommen dabei zum Tragen.