Welteroberung mit System
Der Blickwinkel der Kritik
Symbol des Kapitalismus
Fetisch
Vereinnahmung
Advertising
Coca-Cola wurde für verschiedene Gruppen zu einem Symbol für rücksichtslosen globalen Kapitalismus, für den scheinbar unaufhaltbaren Vormarsch internationaler Konzerne und globaler Marken, ein Symbol für die Zerstörung regionaler Kulturen und Werte, zu einem Symbol für Mittelmaß, Standardisierung, Amerikanisierung und somit „Kulturlosigkeit“.
Der weltweite Vormarsch von Konzernen wie Coca-Cola hat nach Meinung mancher Personen regionale Kulturen tiefgreifend verändert und anstelle von Vielfalt und Identität Standardisierung und Amerikanisierung gesetzt.
»1939 – Nach zehn Jahren hat sich Coca-Cola mit 50 Fabriken in Deutschland etabliert. Der gemeinsame Jahresabsatz liegt bei 4,5 Millionen Kisten. 1940 – Aufgrund von Rohstoffmangel während des zweiten Weltkrieges kann Coca-Cola in Deutschland nicht mehr hergestellt werden. Deshalb wird in Essen ein neues Getränk auf Molkebasis entwickelt: Fanta erblickt das Licht der Welt.« Coca-Cola Unternehmenswebseite
Der Schriftzug „Coca-Cola” ist so gut gelernt, dass selten jemand ihn entziffert. Auch wenn in ähnlicher Form ganz andere Begriffe geschrieben werden, überwiegt die Assoziation Coca-Cola. Das bedeutet: der Schriftzug lässt sich gut missbrauchen, allerdings ohne allzu große Chance, als veränderte Botschaft überhaupt wahrgenommen zu werden.
»It was already Marx who long ago emphasized that a commodity is never just a simple object that we buy and consume. A commodity is an object full of theological, even metaphysical, niceties. Its presence always reflects an invisible transcendence. And the classical publicity for Coke quite openly refers to this absent, invisible, quality. Coke is the “real thing.” It’s not just a positive property of Coke, something that can be described or pinpointed. It’s the mysterious something more. The indescribable excess which is the object cause of my desire. We are obliged to enjoy. Enjoyment becomes a kind of a weird perverted duty. The paradox of Coke is that you are thirsty, you drink it, but as everyone knows the more you drink it the more thirsty you get.« Slavoj Žižek
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»Eine Marke muss seine Marken-idee auf so viele kulturelle Ober-flächen wie möglich projizieren. Ein markengesteuertes Unter-nehmen ist wie ein sich ständig ausbreitender Ballon.«
Naomi Klein
Nicht jede Marke ist zugleich eine Art ‚Kollektiv-symbol’, ein weit verbreitetes anschauliches und Orientierung stiftendes Ensemble von Bildern und damit verbundenen Assoziationen.
Coca-Cola übt als Marke eine nachweislich starke Wirkung auf das Selbstbild weiter gesellschaftlicher Kreise aus. Es ist den Kommunikationsmaßnahmen von Coca-Colazu verdanken, dass sie in symbolisch-verdichteter und vereinfachter Form das heute gängige und gültige Bild, zum Beispiel von Familie, Freizeit, Urlaub und Festzeiten wie Weihnachten zu prägen.
Um neuartige Produkte zu verkaufen, war es schon seit längerem üblich die Werbetrommel gehörig zu rühren. Mit dem Siegeszug der Tageszeitungen wurde es erstmals möglich, Botschaften auf vergleichbar einfache Weise breit zu streuen. Mit der wachsenden Konkurrenz entwickelten sich auch rasch immer raffiniertere Methoden, die Aufmerksamkeit der Menschen zu reizen und sie für Angebote zu begeistern. Vor allem um Produkte zu verkaufen, die noch niemand kannte und deren Vorzüge nicht unmittelbar ersichtlich sind – zum Beispiel Wasch- und Arzneimittel, technische Geräte, etc. – wurden Methoden entwickelt, wie in unterhaltsamer und kompakter Form Menschen zu überzeugen
sind.
Menschen sind sehr vergessliche Wesen. Maximal ein Prozent aller Eindrücke behalten sie im Gedächtnis. Wenn es jemand schafft zu diesem einen Prozent zu gehören, dann liegen die Chancen gut, dass sich an diesen Gedächtnisanker immer neue Eindrücke anhängen lassen und seine Bedeutung dadurch kontinuierlich wächst. Coca-Cola ist nicht die einzige Institution, die sich mit einer solchen Strategie erfolgreich in den Köpfen der Menschen verankert hat. Die katholische Kirche hat ja zum Beispiel ebenfalls ihr Kreuz in jeden Winkel der Welt gestellt und hier in den USA weht unter anderem die amerikanische Flagge, wo immer sie hinsehen. Diese drei „Marken” stehen sich gegenseitig nicht im Weg. Die einen werben für das Glück nach dem Tod, die anderen für Leben, Freiheit und das Streben nach Glück und Coca-Cola verspricht ein Glückserlebnis für jede und jeden im Hier und jetzt.
Illustration: Coca-Cola Athletes: Torch Bearer, 2012
Was den Christen die Bibel, ist den Konsum-freunden die Werbung – Stütze, Lebensreferenz und Orientierungshilfe. Werbung ist eben nicht einfach eine Zutat, eine Beifügung im Rahmen medialer Aktivitäten, sondern bildet umgekehrt den Motor, ohne den kaum eine Zeitung, ein Magazin, eine Radio- oder TV-Station oder eine Internet-Publikation überleben kann.
Über Werbung fließen nicht nur finanzielle Ressourcen in die Medienbranche, sondern sie versorgt die Medienlandschaft auch fortwährend mit Ideen und Themen, mit denen sich Medien beschäftigen können. Redaktionelle Beiträge und Werbeeinschaltungen spielen sich somit wiederholt jene Bälle zu, deren Bewegungen die Konsumenten wie gebannt folgen. Durch das Geflecht der sich so entwickelnden Bezüge entsteht der Eindruck einer einheitlichen Kultur und Welt.
Der ungeheure Umfang und Aufwand mit dem Coca-Cola die Werbetrommel rührt und eben auch die hohe „Qualität” der Botschaften, ist etwas, das kritischen Menschen missfällt. Coca-Cola gehört zu den wenigen Spielern, die in erschreckendem Ausmaß Einfluss nehmen, nicht nur auf den Getränkekonsum, sondern auch auf das Weltbild vieler Menschen und somit darauf, was ihnen wichtig und erstrebenswert erscheint. Selbst in den Slums dieser Welt ist das Getränk ein beliebtes Symbol für den ‚American Way of Life‘, für ein Leben, in dem jeder selbst und alleine für sein irdisches Glück Verantwortung trägt, aber auch angeblich die Chance besitzt, vom ‚Tellerwäscher zum Millionär‘ aufzusteigen.