Bildermacht

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Strategien

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Selbstverständnis

»Um die Gesetze der Geschichte kennenzulernen, müssen wir den Gegenstand unserer Betrachtung vollständig ändern, müssen Kaiser, Minister, Generäle gänz-lich beiseite lassen und dafür die unendlich kleinen, gleich-artigen Elemente studieren, welche die Massen leiten.« Leo Tolstoi

 

Unermüdlich sind wir alle damit beschäftigt, in der einen oder anderen Form Zeichen zu setzen. Das machen wir vielleicht, um uns selbst einen Gefallen zu tun, aber oft auch, um andere Menschen damit irgendwie zu erreichen, um selbst sichtbarer zu werden und das Zusammenleben zu organisieren. Nachdem es Personen und Organisationen gibt, die sich mit einer systematischen Erzeugung und Verbreitung von Zeichen beschäftigen, stellt sich die Frage, nach welchen Prinzipien und mit welchen Zielen gehen sie dabei vor? Woran liegt es, dass Zeichen offenbar sehr unterschiedlich aufge-nommen werden? Warum hassen die einen, was die anderen lieben? Haben Bilder eine Macht auf uns? Geben wir den Bildern diese Macht oder liegt sie in den Objekten selbst begraben? Warum können manche Menschen behaupten, sie hätten sich der Macht der Bilder nicht entziehen können, während andere unbeeindruckt erscheinen?

 

Was könnte sich ändern, wenn wir mit Zeichen anders, als bisher gewohnt, verfahren? Wie könnten neue Kommunikationsstrategien aufgebaut sein?

 

Wir werden tagtäglich mit Kommunikations-maßnahmen konfrontiert, auf die wir in vielen Fällen auch in der einen oder anderen Form reagieren müssen. Da es uns nicht möglich ist die Komplexität der Zusammenhänge zu durchblicken und zu verstehen, wir also immer als „Unwissende“ handeln und Entscheidungen treffen müssen, macht es Sinn, zumindest in groben Konturen, jene Mechanismen zu untersuchen, die Menschen im Laufe der Geschichte in der Absicht entwickelt haben um andere in ihrem Sinne zu „informieren“ oder zu lenken.

 

Von welchem Wissen, welchen Ideen und Vermutungen wir das Handeln jener Menschen geleitet, die sich darum bemühen Macht zu gewinnen und auszuüben? Wissen sie was sie tun, oder werden sie selbst von ihrem Erfolg und Misserfolg überrascht?

»Wer nicht gelernt hat, offen zu blicken, hat nicht gelernt, die Welt zu begreifen.« Thomas Glavinic

 

Welche Parallelen und Unterschiede zeigen sich, wenn wir Zeichensysteme aus unterschiedlichen Bereichen und Epochen miteinander vergleichen?

 

Die untersuchten Beispiele wurden so gewählt, dass sich ein Spektrum recht unterschiedlicher Zusammenhänge öffnet. Sie lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen.

 

Die erste Gruppe beschäftigt sich mit Kommuni-kationssystemen die auf Freund- und Feindbildern aufbauen. Jedes dieser Systeme kennt ein Zentrum, ein zu besetzendes Feld an dessen Ende eine zu

verteidigende Grenze.

 

In der zweiten Gruppe sind Strategien zu finden, die den Wettkampf der Märkte nutzen um die eigene Position zu stärken und zu verteidigen.

 

In den Strategien der dritten Gruppe spielt die Eigeninitiative vieler eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von mächtigen Feldern konzentrierter Aufmerksamkeit.

Illustration: President Obama and his national security team in the White House Situation Room, at 4:06 pm on May 1, 2011, The photograph shows President of the United States Barack Obama along with his national security team, receiving live updates from Operation Neptune Spear, which led to the killing of Osama bin Laden, the leader of al-Qaeda. Foto: Pete Souza

 

»Walter Lippmann zufolge wurden die Kriegs-nachrichten vom Ersten Weltkrieg in Amerika durch die Propaganda gefiltert und verfälscht, durch die Journalisten dann unvermeidlicherweise grob vereinfacht weitergegeben. Dies wurde von den Zeitungslesern wiederum vereinfacht aufgenommen. Die „Bilder in den Köpfen“ der Leser, wie Lippmann es nannte, hatten schließlich nicht mehr viel mit der Wirklichkeit zu tun. Doch ebendiese Bilder, nicht die tatsächlichen Ereignisse, bestimmten das Handeln der Menschen.« Thomas Petersen, Die Grenzen der Propaganda, 2015

Was ist eine Kommunikationsstrategie?

 

Unter Kommunikation verstehe ich den Austausch von Informationen, ein Teilen, Mitteilen, Teil-nehmen lassen. Ich sehe Kommunikation als eine Option, die es uns ermöglicht, dass wir zusammen-finden um etwas gemeinsam zu machen. Unter Strategie verstehe ich ein planvolles Handeln, das auf ein Ziel ausgerichtet erscheint. In einer Welt, in der wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund stehen, wird Kommunikation gerne als Markt-kommunikation und Strategie als Werbestrategie verstanden. Wirtschaftliches Handeln ist nur ein Aspekt unseres Zusammenlebens, ist nur eine Option, um Gemeinschaften zu bilden. Kaum etwas hat den Menschen mehr bestimmt, als seine besondere Fähigkeit, Gefühle, Gedanken, Ideen, Bedeutungen auszutauschen und festzuhalten. Es lohnt daher, jene Kommunikationsstrategien

miteinander zu vergleichen, die sich im Laufe der Geschichte als besonders wirkungsvoll erwiesen haben.

 

Illustration: Camel Werbeanzeige 1946, »According to a recent Nationwide survey: More Doctors smoke Camels than any other cigarette.«

 

Wie könnten sich Kommunikationsstrategien entwickelt haben?

 

Um Informationen austauschen zu können benötigt es mindestens einen Sender und einen Empfänger. Der Dialog hat sich als die klassische Form für den gegenseitigen Informationsaustausch etabliert. Tritt ein dritter Dialogpartner hinzu, wird die Situation insofern schwierig, als wir im Allgemeinen nicht in der Lage sind, zwei Informationsquellen synchron zu folgen. Wenn vielleicht auch nur für Augenblicke, so tritt stets einer der Drei in den Hintergrund. Um der Offenheit und Instabilität einer solchen Situation ein Ende zu bereiten, lässt sich die oder der Dritte isolieren. Dies kann geschehen, indem wir diese Person verdrängen, oder im Gegenteil, sie zum Thema der Konversation machen, um uns so der Gefahr entziehen, Feindschaft zu schüren. Indem nun also zwei Personen sich über eine Dritte austauschen, können diese eine starke und stabile Beziehung aufbauen, dessen Bezugsfeld sich jedoch durch das Ausgeschlossene begründet. Gerade indem sie sich selbst aus dem Dialog aussparen, eröffnet sich die Gelegenheit, sich in besonderer Weise als verbunden zu erfahren.

 

Ob das Ausgeschlossene dabei positiv oder negativ bewertet wird, spielt für die stabilisierende Wirkung eine untergeordnete Rolle. Wenn ich von Kommunikationsstrategien spreche, meine ich die unterschiedlichen Optionen, die sich aus dieser Grundkonstellation ergeben. So kann jedes Dialogpaar versuchen, den oder die Dritte auszu-tauschen oder insofern unter Druck zu setzen, als sie fordern, nur unter der Bedingung bestimmter Veränderungen sei er oder sie weiterhin als Bezugspunkt ihrer Dialoge akzeptabel. Umgekehrt kann aber auch die oder der Dritte versuchen, die Abhängigkeit der Dialogpartner von ihm oder ihr als Bezugspunkt zu benutzen, um die Gespräche in die eine oder andere Richtung zu lenken.

 

Das Erleben einer Macht der Täter und einer Ohnmacht der Opfer haben unsere Vorstellungen von den Beziehungen zwischen den Menschen so nachhaltig geprägt, dass wir auch dann gerne in ähnlichen Kategorien denken, wenn es um den kommunikativen Austausch von Zeichen geht. Auf die einen Seite werden die gestellt, die etwas zu sagen haben und auf die andere Seite jene, die lediglich als Zuhörer, als Konsumenten, als Zielgruppen betrachtet werden. Die Produzenten kommunikativer Zeichen haben ein konkretes Gesicht, die Empfänger bleiben austauschbar und anonym. Daher macht es Sinn, sich die Frage zu stellen, ob zum Beispiel ein Herrscher sein Volk beherrscht, oder das Volk sich jene Herrscher sucht, die bereit sind, die Erwartungen des Volkes zu erfüllen, oder ob Unternehmen uns dazu verleiten, ihnen unsere Ressourcen zu überlassen, oder wir durch unsere Entscheidungen die Handlungs-spielräume der Unternehmen diktieren.

Konsumismus

 

»Der Konsumismus verspricht uns, wenn wir glücklich sein wollten, müssten wir nur so viele Produkte und Dienstleistungen wie möglich konsumieren.« Yuval Noah Harari

»For there is nothing either good or bad, but thinking makes it so.«

William Shakespeare, Hamlet

 

»Eine natürliche Ordnung ist eine stabile Ordnung. Im Gegensatz dazu läuft eine erfundene Ordnung ständig Gefahr, in sich zusammenzufallen wie ein Kartenhaus, weil sie auf Mythen gebaut ist, und weil Mythen verschwinden, wenn niemand mehr an sie glaubt. Um eine erfundene Ordnung aufrecht-zuerhalten sind konstant große Anstrengungen erforderlich. Um eine erfundene Ordnung aufrechtzuerhalten, reichen Zwang und Gewalt allein nicht aus. Es ist unmöglich, eine Armee ausschließlich mithilfe von Zwang zu organisieren. Zumindest ein Teil der Offiziere und Soldaten muss an irgendetwas glauben, sei es an Gott, Ehre, Vaterland, Männlichkeit oder Geld. Aber wie bringt man Menschen dazu, an erfundene Ordnungen wie das Christentum, die Demokratie oder den Kapitalismus zu glauben? Die oberste Regel ist: Sie dürfen nie zugeben, dass diese Ordnung nur ein Fantasieprodukt ist. Sie müssen immer darauf bestehen, dass die Ordnung, auf die sich die Gesellschaft stützt, eine objektive Wirklichkeit ist, die von Göttern geschaffen wurde oder den Gesetzen der Natur entspricht.

 

Außerdem können Sie die Menschen einer gründlichen Gehirnwäsche unterziehen. Vom Moment ihrer Geburt an erinnern Sie sie immer wieder an die Grundsätze dieser erfundenen Ordnung, die in Alles und Jedes eingebaut werden. Sie finden sich buchstäblich überall: in Märchen, Kinofilmen, Gemälden, Liedern, Sprichwörtern, Weisheiten, politischer Propaganda, Architektur, Kochrezepten und Moden.« Yuval Noah Harari

 

»Der Mensch ist autoplastisch – indem er eine technische und kulturelle Welt schafft, schafft er zugleich sich selbst. Handlungen oder Produkte von Handlungen wirken in rekursiven Schleifen auf die Handelnden zurück, vorangehende (oder auch antizipierte) Kommunikationen wirken auf aktuelle Kommunikationen ein.« Franz Bockrath

»Sind alle Dinge durch kausale Verknüpfungen verbunden? Muss alles, was existiert, auf ausrei-chenden Begründungen beruhen? Oder gibt es Dinge, die irgendwie aus dem Nichts geschehen? Welche Bedingungen müssen zusammentreffen, damit wir etwas als wirklich existent wahrnehmen?«

Slavoj Žižek

 

»Accumulation of wealth at one pole is at the same time accumulation of misery, agony of toil, slavery, ignorance, brutality, mental degradation, at the opposite pole.« Karl Marx

»Es gibt bekannte Bekannte, Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Es gibt bekannte Unbekannte, das heißt, es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen. Aber es gibt außerdem unbekannte Unbekannte – die Dinge, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.« Donald Rumsfeld

 

»Wenn Rumsfeld dachte, dass die Hauptgefahren in der Auseinandersetzung mit Irak in den „unbekannten Unbekannten" lägen, den Bedrohungen durch Saddam, die wir nicht einmal erahnen könnten, hätte unsere Antwort darauf lauten sollen, dass die Hauptgefahren ganz im Gegenteil in den „unbekannten Bekannten” liegen, in den uneingestandenen Glaubenssätzen und Vermutungen, von denen wir nicht einmal selbst wissen, dass wir ihnen anhängen.« Slavoj Žižek

„Erst im Prozess der Produktion eines Bildes von sich selbst scheinen Kollektive in der Lage zu sein, Selbstidentität herzustellen.“

Gerhard Paul, BilderMacht

 

»Die öffentliche Meinung sind diejenigen Bilder, nach denen ganze Gruppen von Menschen oder Individuen im Namen von Gruppen handeln. Als Hauptfaktoren, die den Zugang zu den Tatsachen der äusseren Welt behindern, sind die politische Zensur, die Begrenztheit gesellschaftlicher Kontakte, die knappe Zeit, die Verfälschung komplexer Tatsachen durch ihre komprimierte Darstellung, ein zu kleiner Wortschatz für eine zu komplizierte Welt und die Furcht vor den Tatsachen, die die Routine des Alltags bedrohen, zu nennen. Die derart begrenzten Botschaften von ausserhalb werden mit den eigenen Interessen verbunden und ergeben ein Stereotypenmodell, das uns ein geordnetes Weltbild garantiert und als Bollwerk unserer Traditionen fungiert.« Walter Lippmann, Die öffentliche Meinung

Jede Macht, unabhängig davon, ob es sich um eine Monarchie, eine Diktatur oder eine Demokratie handelt, ist auf ästhetische Prozesse angewiesen, um ihre Herrschaft zu legitimieren.

»Es gibt eine Sehnsucht nach einer starken Wirkung, der man sich gerne unterwirft; den Wunsch unausweichlich ausgeliefert zu sein, unmittelbar getroffen und überwältigt zu werden.«

Wolfgang Ullrich

 

»Die meisten Menschen wollen nicht glauben, dass die Ordnung, die ihr Leben bestimmt, ein Fantasie-produkt ist, denn diese Ordnung beherrscht und prägt ihre tiefsten Sehnsüchte. Als Angehörige der westlichen Kultur werden unsere größten Herzens-wünsche heute durch romantische, nationalisti-sche, kapitalistische und humanistische Mythen geprägt, die bereits seit Jahrhunderten fest verankert sind. Selbst unsere scheinbar persönlichsten Wünsche werden von der erfundenen Ordnung vorgestanzt.« Yuval Noah Harari